Montag, 30. April 2007

HOLISTISCH


Psychotherapie als synergetisches Prozessmanagement


Gezielte Symmetriebrechung ermöglichen: »Symmetrie« bedeutet in der Sprache der Synergetik, dass zwei oder mehrere Atraktoren (bzw. Ordner) eines Systems im Zustand kritischer Instabilität potenziell mit gleicher oder ähnlicher Wahrscheinlichkeit realisiert werden können. Da kleine Fluktuationen über ihre Realisierung entscheiden, ist die Vorhersehbarkeit der weiteren Entwicklung gering. In der Metaphorik der Potenziallandschaft bedeutet dies: die Kugel (das Systemverhalten) befindet sich auf einem Hügelkamm (Separatrix) und kann in verschiedene Richtungen in ein Bassin rollen.


In der Tat können auch in einem psychotherapeutschen Kontext die aufretenden KEV-Muster nicht immer vorhergesagt und gezielt realisiert werden; welche »states of minds« in Folge auftreten, wird weitgehend dem Prozess überlassen. Dennoch gibt es Situationen, in denen man bestimmte KEV-Muster [Kognitions-Emotions-Verhaltens-Muster], beispielsweise aufgrund der damit verbundenen ungünstigen Formen der Informationsverarbeitung und Erinnerungszugänge, vermeiden möchte. Um also Symmetriebrechungen in eine bestimmte Richtung zu lenken, kann man sich bestimmter »Hilfestellungen« bedienen, ähnlich wie die Hilfestellungen im Sport bestimmte Bewegungsabläufe unterstützen und andere verhindern. So lassen sich einige Strukturelemente eines neuen Ordungszustandes beispielweise in Rollenspielen oder mit Hilfe motorischer Übungen realisieren, was zur Folge haben kann, dass sich ein bestimmter Zustand daraufhin kohärent und »holistisch« einstellt, insbesondere auch mit den dazu gehörigen Emotionen: partielle neuronale Aktivierung triggert umfassendere neuronale Strukturen. Gezielte Zustandrealisierungen bedienen sich insbesondere der Intentionalität und Antizipationsfähigkeit des Menschen, was konkret über imaginierte Zielzustände oder die kognitive Antizipation von Verhaltensweisen erfolgt. Die Entwicklung und mentale (am besten auch somatosensorische) Repräsentation von Zielen in der Therapie bekommt hier einen Stellenwert. Ähnlich wie ein Sportler vor dem Start kann sich der Patient in eine intendierte »Prozessgestalt« förmlich einschwingen.


In: Neurobiologie der Psychotherapie. Hrsg. von Günter Schepeck, Stuttgart; New York: Schattauer, 2003, S. 243.




Samstag, 28. April 2007

Freitag, 27. April 2007

MONK & DIE SOZIOLOGIE


GLOSSAR


zu den beiden Arbeiten von Prof. Dr. Rodrigo Jokisch, ›Logik der Distinktionen. Zur Protologik einer Theorie der Gesellschaft‹ (Westdeutscher Verlag, Opladen, 1996, S. 412 bis 419: hier ist das Glossar zu finden) und ›Gesellschaftliche Beobachtungen – aus distinktionstheoretischer Perspektive‹ [bisher nicht erschienen].

In der vorliegenden Arbeit »Logik der Distinktionen. Zur Protologik einer Theorie der Gesellschaft« (Westdeutscher Verlag, Opladen, 1996, S. 412 bis 419) werden bekannte Begriffe neu definiert bzw. in ihrer Definition enger gefaßt. Das Glossar soll dazu beitragen, zwischen einem allgemeinen Verständnis der Begriffe und dem in der Arbeit verwendeten spezifischen Ausdrucksvokabular zu vermitteln.

Zwar bestehen gewissen Ähnlichkeiten mit Konzepten, die Niklas Luhmann vorschlug, man sollte aber den Blick stärker auf die Distinktionen lenken, die zwischen der Theorie sozialer Systeme und der Logik der Distinktionen bestehen.

Alleine schon der Umstand, daß die Logik der Distinktionen davon ausgeht, dass es 5 (fünf!) sozietale Systeme gibt (Sinnes-Wahrnehmungen, Leiblichkeit, Affektivität, Personalität, Sozialität) gegenüber den 2 (zwei!) Systemen der Theorie sozialer Systeme (Luhmann –, nämlich soziale und psychische) dürfte deutlich machen, dass es sich hier um eine gänzlich verschiedene Theoriearchitektonik handelt. Konzepte, die für Luhmann äußerst problematisch sind wie »Handlung«, »Mensch« »Nichtbeabsichtigte Folgen menschlicher Kommunikation, Entscheidung und Handlung« (Merton z.B.), »Komplementarität«, »Technik der Gesellschaft«, »Beobachtungsmodalitäten«, »Quaternarität« (Ernst Peter Fischer) oder »Tetradik« des Formkonzeptes – in deutlicher Absetzung von George Spencer Brown, stellen für die Methdologie der Distinktionen zwar eine ernstzunehmende intelektuelle Herausforderung dar, aber letztendlich sind sie »materielle« Bestandteile besagter Theoriearchitektonik.




Affektivität
Mit Affektivität oder Gefühl ist eine der vier Mitteilungsformen gemeint, in der —> KOMMUNIKATION auftritt. Affektivität bildet sich auf der Grundlage der —> Unterscheidung von betroffen/nichtbetroffen und der —> Differenz von Sympathie/Antipathie. Mit Hilfe von Gefühlen wird generell ›Nähe‹ hergestellt, die aber nicht räumlich gemeint ist. So sind sowohl ›Liebe‹ als auch ›Haß‹ Erscheinungsformen von Nähe. Die —> Beobachtung von Affektivität geschieht über Motive, ihre —> Operation über Affekte und Gefühle, wobei Affekte als kurzzeitige Ereignisse, Gefühle dagegen als langzeitige Zustände definiert werden.

Asymmetrie/Symmetrie
Unter einer symmetrisch bestimmten Lage ist eine Situation zu verstehen, bei der es kein Übergewicht von irgendeiner Seite gibt. Symmetrie beinhaltet Gleichheit: ›Alle Menschen sind vor Gott (Religion) oder dem Gesetz (Recht) gleich‹. In einer asymmetrisch bestimmten Situation besteht ein Übergewicht einer Seite über eine andere: ›nicht falsch, sondern wahr‹, ›nicht Unrecht, sondern Recht‹. In der symmetrischen Situation sind beide Seiten gleich-wertig, die asymmetrische ist durch die Bevorzugung einer Seite ein-wertig. Trotzdem können die jeweiligen Bestandteile auseinandergehalten (= distingiert) werden. Das Ergebnis der Distinktionsoperation in der symmetrischen Situation nennen wir —> Differenz, das entsprechende Ergebnis in der asymmetrischen Situation nennen wir —> Unterscheidung. Wir gehen davon aus, daß beide Formen, nämlich die asymmetrische wie die symmetrische, voneinander abhängig sind: es kann keine Symmetrie ohne Asymmetrie, und umgekehrt, geben. Hieran schließen die Konzepte von Differenz und Unterscheidung an.

Asymmetrie/Symmetrie und Unterscheidung/Differenz
Eine Asymmetrie entspricht einer Unterscheidung und eine Symmetrie einer Differenz. Sie distingieren sich allerdings dadurch, daß Asymmetrien und Symmetrien als Operationsformen, während Unterscheidungen und Differenzen als Beobachtungsformen definiert sind.

Beobachtung
Mit Beobachtung ist eine Tätigkeit (= Operation) gemeint, die nicht nur von Personen (= Individualität bzw. personales System), sondern auch von solchen Sinnsystemen wie Wirtschaft, Kunst, Politik, Gesundheit, Religion usw. ausgeführt wird. So kann die Politik die Wirtschaft beobachten, die Wirtschaft die Religion usw. Der Begriff ›Beobachtung‹ muß daher sehr allgemein gehalten werden, damit er auf die unterschiedlichen Sinnsysteme anwendbar ist. Eine Beobachtung definieren wir daher auf der Ebene der Distinktionstheorie ganz allgemein als die Verschränkung einer symmetrischen Differenz mit einer asymmetrischen Unterscheidung mit dem Ziel, Information zu produzieren. Je nachdem, wie die Form der Verschränkung ausfällt, kann es verschiedene —> Beobachtungsmodalitäten geben.

Beobachtungsmodalitäten
Es gibt nach der Distinktionstheorie mindestens sechs verschiedene Formen, die ›Welt‹ zu begreifen: man kann sich zu ihr faktisch, möglich, alternativ, beobachtungsmäßig, reflexiv und selbstreflexiv verhalten. Die ersten drei Formen bezeichnen wir als Handlungsformen, die letzten drei als Beobachtungsformen.

Code/Programm
Codes und Programme sind beständige Formprinzipien im Handlungs- und Kommunikationsraum der Sinnsysteme, wobei ihre Beständigkeit Folge ihrer gegenseitigen Stütze ist. Dabei bezeichnet Code ein asymmetrisches Prinzip (z.B. für Wissenschaft ›wahr, nicht falsch‹, für Recht ›Recht, nicht Unrecht‹ usw.). Programm dagegen bezeichnet ein symmetrisches Prinzip (z.B. auf Wissenschaft bezogen ›analytisch und synthetisch‹, auf Recht bezogen ›normativ und kognitiv‹ usw.).

Differenz/Unterscheidung
Differenz (von dis-ferre: auseinander-, entzweitragen) nennen wir eine —> Distinktion, die die Gleichwertigkeit ihrer beiden Seiten zum Ausdruck bringt und daher seitenneutral, sprich: symmetrisch, ist. Eine Unterscheidung (Unter–scheidung: Erstellung eines Rangordnungsverhältnisses) wiederum ist eine Distinktion, die der einen Seite den Vorzug vor der anderen einräumt und insofern eine asymmetrische Form aufweist.

Distinktion
Distinktion ist das zweckfreie Ergebnis eines Trennungs- bzw. Scheidungsvorganges (dis–tineo: auseinanderhalten, trennen). Sie ist der Überbegriff über zwei weitere Trennungsbegriffe: dem der —> Differenz (gleichwertige Elemente) und dem der —> Unterscheidung (ungleichwertige Elemente). Der Vorgang des Trennens (Distingierens) führt zur Herstellung von Differenzen und Unterscheidungen. Durch die darauffolgende Entscheidungsoperation kann es zu —> KOMMUNIKATION und —> HANDLUNG und somit zu —> GESELLSCHAFT kommen. Distinktionen kann man darüberhinaus allgemein als kognitive ›Reize‹ verstehen und in diesem Sinne als Bedingung der Möglichkeit sinndimensionaler Sachlichkeit.

Distinktionspragmatik
Darunter ist eine theoretische Position zu verstehen, die die Distinktionen ›Differenz‹ und ›Unterscheidung‹ im Rahmen lebensweltlich-pragmatischer Gegenwarts-Kontexte verwendet, um sozialtheoretisches Wissen produzieren zu können. Dabei wird Information als kognitives Ereignis verstanden, welches lebensweltlich eine Wirkung erzeugen kann.

Einheit
Einheit ist einzig vor dem Hintergrund von Trennung (= Distinktion) als Einheit begreifbar.

ENTSCHEIDUNG/Entscheidung
Mit ›ENTSCHEIDUNG‹ meinen wir generell eine Festlegung, die auch ohne Bewußtsein oder Intentionalität vonstatten geht. Mit ›Entscheidung‹ wiederum ist eine verbale, aber vor allem eine schriftliche Form von Festlegung gemeint, die auf der Grundlage von Intentionalität geschieht.

Erwartung/Erfahrung
Erfahrung ist das Ergebnis der Ablagerung von Fakten, ist der perfektische Aspekt einer sozialen —> Struktur. Erfahrungen haben eine asymmetrische Form. Erwartung dagegen ist das Ergebnis der Ablagerung von Möglichkeiten, ist der futurische Aspekt einer sozialen Struktur. Erwartungen haben eine symmetrische Form.
Die Verschränkung von Erwartung und Erfahrung (= Erwartungen selektieren Erfahrungen, Erfahrungen stützen Erwartungen) stellt die Form einer jeglichen GESELLSCHAFTs-Struktur dar. Vermittelnd zwischen Erwartung und Erfahrung befindet sich die —> Unmittelbarkeit als die eigentliche Form von Operation. In elaborierterer Form tritt sie als —> Gegenwart auf.

›etwas‹
Die Art und Weise einer sich noch zu konstituierenden (sozialen oder sonstigen) —> Struktur (als System, Erwartung, Information usw.). Drückt den Schwebezustand zwischen dem noch-nicht-stattgefundenen und dem bereits-stattgefundenen Ereignis aus, welches zur Bildung von Struktur führen kann, wenn es vollzogen wird.

Faktum/Möglichkeit
Ein Faktum ist ein Sachverhalt, der in Form einer gegenwärtigen Vergangenheit prozessiert. Jedes Faktum hat eine Form, die den perfektischen Aspekt von kognitiver —> Realität zum Ausdruck bringt.
Eine Möglichkeit dagegen ist ein Sachverhalt, der in Form einer gegenwärtigen Zukunft prozessiert. Jede Möglichkeit bringt den futurischen Aspekt der kognitiven Realität zum Ausdruck.

Form/Selbstreferenz
Mit Form ist der perfektische Aspekt des Zusammenspiels von Distinktionen gemeint, während Selbstreferenz den futurischen Aspekt des Zusammenspiels von Distinktionen zum Ausdruck bringt. Form ist faktische Selbstreferenz, Selbstreferenz mögliche Form.

Gegenwart
Wird als eine Kategorie verstanden, die Zeit- und Raummodi miteinander koordiniert. So sind ein ›Jetzt‹ und ein ›Hier‹ sowohl zeitlich als auch räumlich zugänglich. In Form von Gegenwart wird ›Zeit‹ in der abendländisch-philosophischen Tradition verstanden.

GESELLSCHAFT/Gesellschaft
Gesellschaft wird als eine politisch begrenzte Einheit verstanden, als Nationalgesellschaft. GESELLSCHAFT ist Weltgesellschaft, symbolisiert den Bereich möglicher —> KOMMUNIKATION (nicht Kommunikation im Sinne der TsS!) überhaupt. Gesellschaft im Sinne von Luhmann wäre hier in etwa, und d.h. nicht präzis genug, mit ›Sozialität‹ zu umschreiben.

HANDLUNG/Handlung
Sowohl ›HANDLUNG‹ als auch ›Handlung‹ bezeichnen Formen der Adressierung, der Zuschreibung von ›Verantwortung‹, der Indizierung eines ›Verursachers‹, der Selektionsbestimmung. Ihre kognitive Form ist in beiden Fällen asymmetrisch.
›HANDLUNG‹ meint dabei die generelle Form der Indizierung von ›Verantwortung›, ›Handlung‹ jedoch die Selektionsbestimmung als spezielle ausdrückliche Entscheidungsoperation. Die Einheit von HANDLUNG besteht in der Distinktion von Annahme/Ablehnung und Zweck/Mitteln.


Individualität
Mit Individualität oder Personalität ist eine der vier Mitteilungsformen gemeint, in denen KOMMUNIKATION auftritt. Individualität (›Unteilbarkeit‹) bildet sich auf der Grundlage der Distinktionen von bewußt/unbewußt und von besonders/allgemein. Mithilfe von Individualität werden Einzigartigkeiten bzw. Einmaligkeiten mitgeteilt und ›Distanzen‹ hergestellt zu allem, was gedanklich-bewußtseinsmäßig erfaßt wird. Die Operationen von individuellem Bewußtsein laufen über Gedanken und Ideen, ihre Beobachtung über Willensbekundungen.

Kognition
Gibt den Realitätsbereich wieder, der mit Hilfe von Distinktionen zugänglich ist. Die uns zugängliche Realität ist ausschließlich distinkt verfaßt, d.h. sie ist in handlungs- und kommunikationsbereite Einheiten aufgeteilt.

KOMMUNIKATION/Kommunikation
›KOMMUNIKATION‹ meint ein generelles Selektions-Angebot, das sich auf die vier Mitteilungsformen ›Leiblichkeit‹, ›Personalität‹, ›Affektivität‹ und ›Sozialität‹ bezieht.
›Kommunikation‹ meint ein spezielles Selektions-Angebot, das sich ausschließlich auf die Mitteilungsform ›Sozialität‹ bezieht und in erster Linie sprachlich bzw. schriftlich vonstatten geht. Die kognitive Form von KOMMUNIKATION und Kommunikation ist immer symmetrisch. Die Einheit von KOMMUNIKATION besteht in der Distinktion von Verstehen/Mißverstehen und von Information/Mitteilung.

Komplexität
Verschiedenartiges zusammenzufassen ist ein Zwang, dem sich jeder Sachverhalt unterwerfen muß, der sich als Einheitskomplex konstituieren will. Alle einzelnen Bestandteile müssen zumindest ein gemeinsames Kriterium aufweisen, um der übergeordneten Einheit angehören zu können. Dabei werden die Einzelbestandteile vereinfacht (= Komplexitätsreduktion). Die so gebildete Einheit von Verschiedenartigem nennen wir dann Komplexität.

Leiblichkeit
Mit Leiblichkeit ist eine der vier Mitteilungsformen gemeint, in der KOMMUNIKATION auftritt. Leib wird als die reflexive Form des Körpers definiert. Leiblichkeit bildet sich auf der Grundlage der Distinktionen von körperlich/nichtkörperlich und von Lust/Unlust. Mit Hilfe von Leiblichkeit werden ›Faktizitäten‹, ›Notwendigkeiten‹ bzw. ›Nichtänderbarkeiten‹ mitgeteilt. Die Operationen des Leiblichen laufen über Sinneswahrnehmung und Erscheinung, ihre Beobachtung über Gestik.

Logik, System der operationalen
Gibt die Bedingungen an, die man an Operationen stellen muß, damit diese ordnungsgemäß vollzogen werden können. Es handelt sich um eine Logik vor der Logik, nämlich um eine Proto-Logik.
Geht man davon aus, daß eine jegliche Operation nur zwei Möglichkeiten hat, nämlich stattzufinden oder nicht stattzufinden, so besagt das Identitätsprinzip für Operationen: Erst das zweite Stattfinden einer Operation, ihre ›Zweitmaligkeit‹, konstituiert Identität. Das Widerpruchsprinzip für Operationen lautet: Wenn eine Operation entweder stattfinden oder nichtstattfinden kann, so kann nicht beides zugleich geschehen. Das Prinzip vom ausgeschlossenen Dritten für Operation lautet: Wenn eine Operation entweder stattfinden oder nichtstattfinden kann, so kann nicht zugleich beides ausgeschlossen werden. Bei dieser Proto-Logik handelt es sich um den operationalen Aspekt logischer Sachverhalte.

Logik, System der sprachlichen
Gibt die Bedingungen an, die man an sprachliche Äußerungen zu stellen hat, damit diese wahrheitsfähig sein können: Satz der Identität, des Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten. Bezeichnet außerdem den Beobachtungsaspekt logischer Sachverhalte.

Negation
Negation setzt immer Distinktion voraus, um sich konstituieren zu können. Negation kommt operational durch die diskreten ›Lücken‹ bzw. ›Leerstellen‹ zustande, die zwischen dem Ende einer Operation und dem Anfang der nächsten entstehen. Diese Lücken lassen die Distinktion ›operieren/nichtoperieren‹ entstehen. Eine sinnmäßige Ablagerung solcher ›Lücken‹ oder ›Leerstellen‹ (= Negationen) bildet das, was wir eine Beobachtung nennen, die somit die Operation einer ›Nichtoperation‹ ist.

Objekt
Ein Objekt ist eine Ereignisrelation bestehend aus mindestens vier distinkten Ereignissen, die sich in perfektischer (= aussagemäßiger) und somit asymmetrischer (= operativer) Form zu zwei Distinktionen verbinden. Objekte sind nur ›Objekte für einen Beobachter‹, Objekte ›an sich‹ gibt es nicht. Gleichwohl besteht die Funktion von Objekten gerade darin, objektive ›an-sich-Formen‹ zu präsentieren, und damit eine subjektlose Haltung zu ermöglichen.

Operation
Alles, was geschieht, wenn es geschieht, geschieht im Augenblick. Eine Operation (als Handlungsvorgang z.B.) hat daher nur zwei Möglichkeiten: entweder sie findet statt, oder sie findet nicht statt. Findet sie statt, so bilden sich zugleich die Sinndimensionen Zeit und Sachlichkeit. Im Stattfinden/Nichtstattfinden sind ›Zeit‹ und ›Distinktheit‹ als sachliche Dimension bzw. als Beobachtungspotentialität zugleich mitenthalten. Damit ist auch gesagt, daß jegliche Operation ihre – durch die Emergenz von ›zeitlich bestimmter Distinktheit‹ gegebene – Unterscheidbarkeit in irgendeiner Weise innerhalb der Gegenwart synchronisieren muß. Daher entsteht für jegliches in der Unmittelbarkeit operierende ›Etwas‹ das Problem der Integration von ›gleichzeitiger Ungleichzeitigkeit‹.

Paradoxie
Paradox nennen wir einen Sachverhalt, der mit seinem Gegenteil identisch ist. Paradoxien (und ebenso —> Tautologien als ›verdeckte‹ Paradoxien) lassen sich über die Zeitdimension entparadoxieren, indem gezeigt wird, wie sie zustandegekommen sind. Paradoxien kommen nämlich in der Regel durch die Gleichzeitigkeitssetzung von Ungleichzeitigkeiten und somit durch die Annahme von ›zeitlosen Anfängen‹ auf. Paradox ist jegliche Form von Identität in dem Sinne, daß sie ein Zugleich von Gleichheit und Verschiedenheit benötigt, um sich als ›identisch‹ halten zu können. So entstehen Identitäten — als die klassische Form von ›zeitlosem Anfang‹ — innerhalb der Zeitdimension. Ihre Darstellung findet jedoch innerhalb einer Gegenwart statt, die das ungleichzeitig zustandegekommene Distinkte als gleichzeitig gegeben setzt.

Realität
Mit Realität meinen wir die kognitiv über distinkte Operationen zugängliche Wirk–lichkeit. Wir gehen von der asymmetrischen Distinktion einer realen und einer kognitiven Realität aus, wobei die reale Realität den ›blinden Fleck‹ der kognitiven Realität darstellt. Dieser ›blinde Fleck‹ kommt dadurch zum Ausdruck, daß wir die kognitiv verfaßte Realität für die ›eigentlich reale Realität‹ halten.

Selbstreferenz
Mit Selbstreferenz ist der Aspekt des Zusammenspiels von Distinktionen gemeint, der die futurische Zeit einbezieht. —> Form dagegen bringt den perfektischen Aspekt des Zusammenspiels von Distinktionen zum Ausdruck. Selbstreferenz ist mögliche Form, Form ist verwirklichte Selbstreferenz.

Sinn
Sinn nennen wir die Operation eines Verweisungszusammenhanges, welcher aus der Gegenwartsposition faktisch Gegebenes auf potentiell Mögliches bezieht. Dabei weist das Faktische eine asymmetrische, das Mögliche eine symmetrische Form auf. Da die Verweisungsoperation in der unmittelbaren Gegenwart geschieht, entsteht hierdurch das Komplexitätsproblem der Synchronisierung des Zugleich von bestimmten Fakten und unbestimmten Möglichkeiten zu einer Sinneinheit, die sich nur durch Reduktion ihrer Komplexität zu einer Einheit bilden kann. Sinn ist somit daher immer schon ›reduzierter Sinn‹.

Sinndimensionen
Dieser Begriff bezieht sich auf die Form von —> Distinktion. Nimmt man die Sinndimensionen von Zeit, Raum, Sachlichkeit und Sozialität dazu und bezieht sie auf die Seiten der symmetrischen Distinktion, so kann entsprechend eine zeitlich, eine räumlich, eine sachlich und eine sozial bestimmte Symmetrie aufgezeigt werden: ›noch-nicht-bezeichnete/bereits-bezeichnete‹ Seite (= Zeit), ›komplette/unvollständige‹ Seite (= Raum), ›bestimmte/unbestimmte‹ Seite (= Sachlichkeit) und ›wählbare/nicht-wählbare‹ Seite (= Sozialität).

Sozialität
Mit Sozialität ist eine der vier Mitteilungsformen gemeint, in der KOMMUNIKATION auftritt. Sozialität bildet sich auf der Grundlage der Distinktionen von öffentlich/nichtöffentlich und von verbal/nichtverbal. Mit Hilfe von Sozialität wird Konsens hergestellt. Die Operationen von Sozialität laufen über Themen und Beiträge, ihre Beobachtung über Rollen.

Sinnsystemarten
Dieser Begriff bezeichnet die Mitteilungsformen von KOMMUNIKATION, die vier Sinnsysteme bilden: —> Sozialität, —> Personalität, —> Affektivität und —> Leiblichkeit.

Struktur/Prozeß
Strukturen sind immer Zeitstrukturen von langer Dauer. Ihre Funktion besteht darin, Prozeßsequenzen auszuwählen. Prozesse wiederum haben – zeitlich gesehen – eine kürzere Zeitdauer, wobei ihre Funktion darin besteht, Strukturen ›zu stützen‹. Strukturen und Prozesse bedingen sich daher gegenseitig. Auf gesellschaftstheoretischer Ebene sind Strukturen Erwartungsstrukturen und Prozesse Erfahrungsereignisse, wobei nach der TgS Gesellschaftstheorie erst auf der Grundlage dieser beiden Konzepten möglich ist.

Symmetrie
Symmetrien haben die Funktion, entscheidbare Prozesse dadurch in Gang zu setzen, daß sie Unentscheidbarkeiten in Form von Distinktionen präsentieren. Eine Symmetrie ist die Operationsform einer Differenz, während eine Asymmetrie die Operationsform einer Unterscheidung wiedergibt.

Tautologie
Tautologisch ist ein Sachverhalt, der mit sich selbst identisch ist. Eine Tautologie ist letztendlich eine verdeckte —> Paradoxie. Sie negiert die Zweiteiligkeit ihrer Aussage, daß ›etwas ist‹, ›was es ist‹, im selben Augenblick, in dem sie deren Identität behauptet.

Unmittelbarkeit
Damit ist der eigentliche Operationsmodus einer —> Operation gemeint: immer, wenn eine Operation stattfindet, findet sie im ›momenthaften Augenblick‹ statt. Die elaborierte Form von Unmittelbarkeit ist die —> Gegenwart, wobei es sich – bezogen auf die Form von Aussagen – hier um die präsentische Form einer Aussage handelt. Religionsphilosophisch ist die Gegenwart die ›Epiphanie der Ewigen Gegenwart‹, ein Sachverhalt, der auf Platon und Parmenides zurückgeht. Über Unmittelbarkeit wird die Distinktion von Dauer/Augenblick konstituiert, die in ihrer elaborierteren Form eben zur Distinktion von —> Struktur/Prozeß führt.

Unterscheidung
›Unterscheidung‹ bezeichnet eines der drei Trennungskonzepte dieser Arbeit. Bei einer Unterscheidung wird die Rangfolge des Getrennten vorgenommen. Unterscheidung stellt also eine seitenparteiische —> Distinktion dar. Über die Koppelung zweier Unterscheidungen kann es zur Bildung einer —> Differenz kommen; über die Vereinseitigung einer Differenz kann es zur Bildung einer Unterscheidung kommen.

Vergangenheit/Zukunft
Geben die elaborierte Form der Distinktion von vorher/nachher wieder. Vergangenheit und Zukunft finden immer nur in der Gegenwart statt und sind daher immer nur in Form einer ›gegenwärtigen Vergangenheit‹ und einer ›gegenwärtigen Zukunft‹ operationsfähig.

Wahrheit, pragmatische
Wahre Erkenntnisoperationen sind aus der Perspektive der Wahrheitspragmatik kognitive Operationen, die an die jeweiligen Umstände angepaßt sind. Eine pragmatische Wahrheitstheorie ist immer an eine Theorie sozio-kultureller Evolution gebunden, da nur im Rahmen einer solchen Theorie sinnvollerweise von einer Anpassung an die jeweiligen Umstände gesprochen werden kann. Die pragmatische Wahrheitstheorie bezieht die Übereinstimmungstheorie der Wahrheit insofern mit ein, als eine ›Übereinstimmung zwischen Aussage und Sachverhalt‹ wahrheitspragmatisch als ›Anpassungsprozeß von Schlüssel zu Schloß‹ interpretierbar ist.




All contents copyright © 2000, Rodrigo Jokisch. All rights reserved.




Donnerstag, 26. April 2007

COSI FAN TUTTE


Symmetrie — ein dichter Mikrokosmos





Bei Così fan tuttte beeindruckt die enorme Symmetrie der Figuren und deren Beziehungen zueinander. Es gäbe unendlich viele Möglichkeiten, diese zu gewichten oder zu charakterisieren. Damit zeigt sich schon eine wesentliche Eigenschaft des Stückes: es lässt die verschiedensten Interpretationen zu, zielt mehr auf die Natur des Menschen, und lässt den Schluss in einem gewissen Sinne konsequent, aber in einem gewissen Sinne auch auf eigenartige Weise offen. Die Symmetrie bezieht sich aber nicht nur auf die Personen und ihre Handlungen, sondern auch auf die Musik. (Zur Symmetrie hinsichtlich der musikalischen Nummern vergleiche man Paolo Mezzacapo und Liam Mac Gabhann, »… vi voliamo davanti ed ai lati e dal retro …«, 1991).

Die Symmetrie der Personenkonstellationen lässt sich auch mathematisch ausdrücken. Ausgehend von einer Grundmenge (sechs Personen) lassen sich alle Wesensmerkmale und Handlungsarten in zahlreiche Teilmengen, die also alle in der Grundmenge enthalten sind, darstellen. Es gibt kein Element, das ausserhalb dieses Kreises liegen würde und stören könnte. So sind folgende Kriterien denkbar:

Grundmenge:
sechs Personen

Teilmengen:
zwei Geschlechter:
Mann – Frau
(Don Alfonso, Guglielmo, Ferrando) – (Despina, Dorabella, Fiordiligi)

Liebespaare:
zwei – zwei – zwei
(Dorabella + Fernando; Guglielmo + Fiordiligi) – (Dorabella + Guglielmo; Fiordiligi und Ferrando) – (Dorabella + Fernando; Guglielmo + Fiordiligi), resp. (Dorabella + Guglielmo; Fiordiligi und Ferrando)

Beziehung zur Liebe:
aktiv Liebende – passiv Liebende
(Dorabella, Fiordiligi, Guglielmo, Ferrando) – (Despina, Don Alfonso)

Alter:
Jugend – Alter

Soziale Stellung:
zwei Klassen
(Fiordiligi, Dorabella, Ferrando, Guglielmo) – (Don Alfonso, Despina)

Beziehung zur Prüfung:
wissend – unwissend
(Don Alfonso, Guglielmo, Ferrando) – (Despina, Dorabella, Fiordiligi)

Beziehung zur Prüfung
Betrüger – Betrogene
(Don Alfonso, Guglielmo, Ferrando) – (Despina, Dorabella, Fiordiligi)

Aktivität:
Subjekt – Objekt
(Don Alfonso, Guglielmo, Ferrando) – (Despina, Dorabella, Fiordiligi)

Così fan tutte kann man somit als einen Ausschnitt aus der Realität, als einen dichten Mikrokosmos sehen.


© Vesselina Kasarova, August 2000



BLUE MONK




THELONIOUS MONK COMPOSITIONS









Ask Me Now
First recorded July 23, 1951 (Blue Note 1591), this is regarded as one of Monk’s most beautiful ballads, along with Monk’s Mood, Ruby, My Dear, Crepuscule with Nellie, and Pannonica. (We might also include ‘Round Midnight, except that he often played it at a medium tempo.) — Jon Hendricks added lyrics and titled it »How I Wish«. At least three artists recorded the song with Hendricks’s lyrics.

Ba-lue Bolivar Ba-lues-Are (aka Bolivar Blues)
First recorded October 9, 1956 (Riverside LP12-226) The title refers to the Hotel Bolivar in Manhattan, then the home of the Baroness Nica de Koenigswarter.

Bemsha Swing
Co-written Denzil Best, it was sometimes referred to as »Bimsha Swing« and even recorded under that title by trombonist J. J. Johnson. Monk first recorded »Bemsha Swing« on December 18, 1952 (Prestige LP7027).

Bluehawk
This solo piano blues was only recorded once, on October 22, 1959, in San Francisco (Riverside RLP12-312)

Blue Monk
Monk recorded »Blue Monk« more than any other composition besides »’Round Midnight.« His first recording dates back to September 22, 1954 (Prestige PRLP 189 LP7027). — Abbey Lincoln added lyrics and recorded it under the title »Monkery’s the Blues«. Monk himself was summoned to the studio to hear Lincoln’s version and to get his blessings. He approved.

Blues Five Spot (aka Five Spot Blues)
First recorded July 9, 1958 (Milestone M-9124, Riverside RIV-4005/5), the title refers to the Five Spot Café, where Monk was playing when he recorded this song for the first time. It was originally located at Five Cooper Square in the East Village, until it moved to Third Avenue and East 7th St.1962. — Giacomo Gates added lyrics and recorded it as »Five Cooper Square«. The title refers to the address of the original Five Spot Café.

Blue Sphere
A medium tempo, classic twelve-bar blues for solo piano, »Blue Sphere« was recorded only once, on November 15, 1971, during a session in London (Black Lion BLP30119). If anything, it is a tribute to Jelly Roll Morton and all the great stride pianists of the old barrelhouse and »rent party« tradition. The London sessions, which also included Al McKibbon (bass) and Art Blakey (drums), would prove to be Monk’s last studio recordings as a leader.

Bolivar Blues (see Ba-lue Bolivar Ba-lues-Are)

Boo Boo’s Birthday
Recorded only once, on December 21, 1967 (Columbia CS9632), Monk wrote this song for his daughter Barbara, whose nickname was »Boo Boo.«

Brake’s Sake
First recorded on October 15, 1955 (Signal S1201), with a quartet led by alto saxophonist Gigi Gryce.

Bright Mississippi
Frst recorded on May 10, 1961 (Ingo 8) at a concert in Berne, Switzerland. It is a completely original melody based loosely on the chord changes of »Sweet Georgia Brown.«

Brilliant Corners
First recorded on October 15, 1956 (Riverside RLP12-226), this composition proved notoriously difficult for Monk’s band, which included Sonny Rollins (tenor), Ernie Henry (alto), Oscar Pettiford (bass), and Max Roach (drums). After twenty-five attempts, the final recorded version consisted of parts of various takes spliced together. It was recorded only one other time, on November 20, 1968, with Oliver Nelson’s Orchestra (Columbia CS9806).

Bye-ya
First recorded on October 15, 1952 (Prestige 795 LP7027), it is unique for its Caribbean-inflected rhythms.

Children’s Song (aka That Old Man)
Recorded once on October 7, 1964, it is Monkishly altered version of the traditional ditty, »This Old Man,« also known as »The Children’s Marching Song.«

Chordially
Recorded only once in London on November 15, 1971 (Black Lion CD760142), it is not a composition, per se, but a very musical and coherent improvised warm-up exercise on solo piano. It was not released on the original LP because it was not considered to be a song. But just about everything Monk plays possesses the quality of a complete composition.

Coming on the Hudson
First recorded on February 25, 1958, at a session led by Johnny Griffin (Milestones M-9124, Riverside RIV-4005/4), Monk secured a copyright on December 22nd of that year (Jazz Standard Music Publishers). Monk lived a couple of blocks from the Hudson River for most of his life and enjoyed the sound of the various boats »coming on the Hudson.«

Crepuscule with Nellie
First recorded on June 25, 1957 (although the first released take was recorded the following day [Riverside RLP12-242]), this beautiful ballad is unusual in that it is his only composition played straight through without improvisation. »Crepuscule« was written in 1957 while Nellie was in the hospital to undergo surgery. Monk had come up with the title »Twilight with Nellie« but the Baroness, who was at the hospital at the time, promptly suggested the French word for twilight: »crépuscule.« — Soesja Citroen added lyrics and recorded it as In Twilight.

Criss Cross
First recorded on July 23, 1951 (Blue Note 1590, 1509), critic and composer Gunther Schuller called it »the Monk masterpiece of this period.« So enthused with »Criss Cross,« Schuller used it as the basis for his tribute to Monk titled »Variants on a Theme of Thelonious Monk« (1960).

Epistrophy
One of Monk’s earliest compositions, it was co-written with drummer Kenny Clarke and went by various names; Clarke called it Fly Right or Fly Rite, it was called Iambic Pentameter, and known, too, as simply “The Theme” since it was used by Minton’s House band to open and close a set. It was first recorded by the Minton’s House band on June 7, 1941, but the first version by Monk issued appeared on his first Blue Note recordings (July 2, 1948, Blue Note 548, 1510). — Giacomo Gates added lyrics and recorded it under Kenny Clarke’s title, »Fly Rite«.

Eronel
An unusually “boppish” tune for Monk, was co-written with pianist Sadik Hakim (Argonne Thornton) and trumpeter Idrees Sulieman, and first recorded on July 23, 1951 (Blue Note 1590, 1509). »Eronel« was named after Lenore Eisner, whom Sadik Hakim was dating at the time. Initially, neither Hakim nor Sulieman were given co-composers credit, but since then their names have been restored as original co-authors.

Evidence
First recorded on July 2, 1948 (Blue Note 549, 1509), it went by various names, notably »Justice« and »We Named it Justice.« It puns off of the song on which it was loosely based, »Just You, Just Me« (by Jesse Greer and Raymond Klages), which transforms the title to »Just Us,« which in turn became »Justice« and ultimately »Evidence.«

Feeling That Way Now (see Monk’s Mood)

52nd Street Theme
Ironically, Monk never recorded »52nd Street Theme.« Also known as »Nameless,« and simply »The Theme,« it was widely used as a vehicle for Dizzy Gillespie’s various bands, among others.

Five Spot Blues (see Blues Five Spot)

Five Will Get You Ten (see Two Timer)

Fly Right (see Epistrophy)

Four in One
First recorded on July 23, 1951 (Blue Note 1589), »Four in One« was known to have a particularly treacherous melody built on sixteenth note phrases (hence the name-a quarter note [one ›beat‹] divided into sixteenth notes [four ›beats‹]).

Friday the Thirteenth
First recorded on Friday the 13th, 1953, it refers not only to the day but the turn of events-tenor saxophonist Sonny Rollins was delayed because of a car accident and trumpeter Ray Copeland fell ill and French horn virtuoso Julius Watkins had to fill in at the last minute. The result was a remarkable session, including a swinging interpretation of this deceptively simple repeating bar theme.

Functional
There are actually two different versions of the blues given the title »Functional,« which was probably just a name made up on the spot. Both takes were recorded the same day, April 16, 1957, and never recorded again. According to one report, after hearing a playback of one of his takes of »Functional,« he said: »Well, that sounds like James P. Johnson.« Johnson, one of the great Harlem stride pianists, was one of Monk’s musical heroes.

Gallop’s Gallop
First recorded on October 15, 1955, with Gigi Gryce as leader. This incredibly complicated melody was only recorded one other time, in November of 1964 when Monk’s quartet played at the It Club in Los Angeles.

Green Chimneys
Another one of Monk’s later compositions, it was first recorded on November 14, 1966, although this particular take was not released until 1996. The take that was released initially was recorded a year later, on December 14, 1967 (Columbia CS9632). »Green Chimneys« is named after the school Barbara Monk attended at the time-a progressive private boarding school located in Putnam County, New York.

Hackensack
First recorded on May 11, 1954 (Prestige PRLP 180), it was also the first day Monk recorded in Rudy Van Gelder’s famous studio in Hackensack, New Jersey (hence the title). »Hackensack« bears some resemblance to a Coleman Hawkins composition he must have played when he was with Hawk’s band, and an arrangement of »Lady Be Good« by Mary Lou Williams.

Harlem
Is Awful Messy-Co-written with Oran »Hot Lips« Page and Joe Guy, this hilarious jump tune (with lyrics!) was never recorded. It was copyrighted by the trio on September 16, 1941.

Hornin’ In
Recorded only one time (four takes), on May 30, 1952, during his last session for Blue Note as a leader. His sextet consisted of an all-star line up: Kenny Dorham (trumpet), Lou Donaldson (alto); Lucky Thompson (tenor), Nelson Boyd (bass), Max Roach (drums). It first appeared on Blue Note 1603.

Humph
Another early classic, Humph was only recorded once (three takes) during Monk’s first recording session as a leader (October 15, 1947). It first appeared on Blue Note 560.

I Mean You (aka Stickball)
First recorded in December of 1946 by Coleman Hawkins, not Monk. The band included Fats Navarro on trumpet and J. J. Johnson on trombone, and in the piano stool was a very young Hank Jones fresh from Detroit. It would be another year and a half before Monk recorded »I Mean You« (July 2, 1948 [Blue Note 1564, 1510]. — Jon Hendricks added lyrics and retitled it »You Know Who«. Several artists recorded the vocal version.

Iambic Pentameter (see Epistrophy)

Introspection (aka Playhouse)
Originally titled »Playhouse« as a tribute to Minton’s, this song was first recorded for Blue Note on October 24, 1947, but was not released until 1956! Monk wrote it during his association with Dizzy Gillespie’s big band and Walter Gil Fuller wrote an arrangement of »Playhouse,« but there is no record of the band recording it, let alone playing it. It’s unusual thirty-six bar structure and wandering chord progressions set it apart from the music identified as »bebop.«

In Walked Bud
First recorded on November 21, 1947 (Blue Note 548), it was written for Monk’s very good friend, pianist Bud Powell. It is based on the chord changes for Irving Berlin’s »Blue Skies.« — Jon Hendricks added lyrics and retitled it »Suddenly«. Several artists recorded the vocal version.

Jackie-ing
First recorded on June 4, 1959 (Riverside RLP12-305), Monk named this song after his niece, Jackie Smith. This sixteen bar theme is written as a dynamic, processional march, but after the melody is stated it swings extremely hard. After 1960, »Jackie-ing« became a regular part of the Monk quartet’s live repertoire.

Let’s Call This
First recorded on November 13, 1953, on that famous »Friday the Thirteenth« date (see above), and released on Prestige PRLP 166. Another one of Monk’s remarkable compositions, he only recorded it one other time: live at the Blackhawk in San Francisco on April 29, 1960 (Riverside RLP12-323). His quartet expanded to a sextet with the addition of Joe Gordon and Harold Land, and Billy Higgins sat in on the drums. It is doubtful that anyone had much time to rehearse »Let’s Call This,« which had not been part of the band’s repertoire. Nevertheless, they turn in excellent results.

Let’s Cool One
First recorded in on May 30, 1952 (Blue Note 1602, 1511), it was probably given that name because it is a relaxed, medium tempo tune without a lot of intervallic leaps. The songs recorded just prior to »Let’s Cool One« were complex, up tempo tunes like »Skippy« (three takes) »Hornin’ In« (two takes), and »Sixteen« (two takes), which apparently required a lot more work-even from a band made up of bebop’s top musicians. »Let’s Cool One« was done in one take. — Soesja Citroen added lyrics and recorded it as »Come With Me«.

Light Blue
The first recorded evidence of this tune comes from a radio broadcast from Pep’s Music Lounge in Philadelphia, where Monk led a trio on February 9, 1957, consisting of Jimmy Bond and bass and Albert »Tootie« Heath on drums. Interestingly, the first official recording of »Light Blue« was also live, this time at the Five Spot Café on August 7, 1958. It is not a blues but rather a sixteen-bar theme played at a slow, plodding tempo built on descending chord progressions.

Little Rootie Tootie
First recorded on October 15, 1952 (Prestige 850), was named for Monk’s son, Thelonious, Jr., who was two years old at the time. He earned the nickname »Toot« after »Little Toot the Tugboat« from a favorite Walt Disney cartoon; young Thelonious learned to whistle-like »Little Toot«-before he learned to talk. The song has also been associated with the sound of the railroad, a common motif in blues and jazz since the early part of the century. (See Monk’s »Locomotive.«)

Locomotive
First recorded on May 11, 1954 (Prestige PRLP 180), it is definitely in the tradition of »train« recordings going back to Count Basie, Ellington, and the train-whistle guitar blues of the early part of the century. Built on an odd 20-bar chorus and played as a medium-slow tempo, rhythmically and melodically it captures the motion of the old steam engines steadily chugging down the railroad line. Monk only made one other recording of »Locomotive« … twelve years later (Columbia CL2651)

Manganese (see We See)

Manhattan Moods (see Ruby, My Dear)

A Merrier Christmas
The only evidence of Monk playing this song is from a private recording made at the home of Baroness Nica de Koenigswarter around December of 1972. It is also the only recording of Monk singing.

Misterioso (sometimes spelled Mysterioso)
One of Monk’s most famous blues compositions, it was first recorded on July 2, 1948 (Blue Note 1510). The melody is distinctive in that it’s built on even eighth notes of ascending and descending parallel sixths. The most famous recording of »Misterioso« was made by Sonny Rollins and includes both Monk and pianist Horace Silver taking turns at the keyboard! Rollins’s solo has been hailed by critics as a masterpiece. — Although »Misterioso« is not thought to be a very singable melody, it is so musical, so perfectly balanced that it has inspired several vocal versions and at least three different sets of lyrics: Claude Nougaro (retitled »Autour de Minuit«), Judy Niemack (retitled »Crazy Song to Sing«), Teri Roiger (retitled »Listen to your Soul«), Andre Minvielle (retitled »Ounba’s«), as well as a children’s book based whose poetic story is told to the melody and rhythm of »Misterioso«. The latter is by Chris Raschka and is titled »Mysterious Thelonious.«

Monk’s Dream
First recorded on October 15, 1952 (Prestige 850), like »Bye-ya«, this is another strongly Caribbean »flavored« composition. — Jon Hendricks added lyrics and called it »Man, that was a Dream,« as did Soesja Citroen, who gave it the title »Sure it Can Be Done.«

Monk’s Mood
One of Monk’s early ballads, he gave it several different titles before settling on »Monk’s Mood,« (i.e., »That’s the Way I Feel Now«, »Feeling that Way Now«, »Why Do You Evade the Facts«, and »Be Merrier Sarah«). He had conceived of the song with lyrics. Monk first recorded »Monk’s Mood« on November 21, 1947 (Blue Note 1565) — Lyrics were added by Soesja Citroen and recorded under the title, »Underneath This Cover«.

Monk’s Point
Recorded only twice, once as a solo piano piece (November 2, 1964 [Columbia CL2349]) and again with Oliver Nelson’s Orchestra (November 19, 1968 [Columbia CS9806]), it is a fairly straight forward twelve-bar blues in Bb full of Monk’s signature »minor seconds« in the melody.

North of the Sunset
Recorded only once on October 31, 1964, it is a twelve-bar blues whose melody is very close to Monk’s Point. It was also written in Bb.

Nutty
First recorded on September 22, 1954, in a trio setting with Percy Heath (bass) and Art Blakey (drums), »Nutty« was among Monk’s more popular tunes. Perhaps the most famous recording of it is with John Coltrane, July 1957 (Jazzland JLP[9]46). A few writers have strangely tried to link the title to Monk’s alleged state of mind (!), but any such claims betrays an ignorance of the »hip« lingo of the day. In the 1940s and 50s (and even later), »nutty« commonly meant »excellent« or »coolå-like »insane,« »mad,« and »crazy.«

Off Minor (aka What Now)
Was actually first recorded in January of 1947, but not by Monk. Bud Powell was the first to put »Off Minor« on wax when he was with Cootie Williams’s Orchestra. Monk first recorded it on October 24, 1947 (Blue Note ). Also, Dizzy Gillespie’s big band had intended on using it in their book. It stands among Monk’s more frequently recorded tunes. It is so named probably because it is written in G minor but never resolves on the tonic.

Oska T
First recorded on December 30, 1963, during Monk’s famous Town Hall concert (Columbia ), there are many different stories in circulation explaining this title. The most common is that its Monk’s impersonation of a bourgeois Englishman saying »ask for tea.«

Pannonica
First released recording was made on October 9, 1956 (Riverside RLP12-226). The song was written for the Baroness Pannonica de Koenigswarter, whom Monk had met in Paris in June of 1954. This first recorded version of »Pannonica« is significant in that Monk plays both piano and celeste. — Jon Hendricks added lyrics and retitled it »Little Butterfly.«

Played Twice
First recorded on June 1, 1959 (Riverside RLP12-305), the title refers to the structure of the song itself. It is a rhythmically complex, sixteen-bar AABC theme based on a series of repeated phrases or »echoes« that fall in different places in the meter. And like many Monk tunes, it begins in one key ( C ) and ends on another (D).

Playhouse (see Introspection)

Portrait of an Eremite (see Reflections)

Raise Four
Only recorded once, on Valentines Day, 1968 (Columbia CS9632), Monk probably wrote this in the studio. Reminiscent of »North of the Sunset« and Monk’s »Point«, »Raise Four« is a basic twelve-bar blues but built on Monk’s signature harmonies-the augmented fourth, also known as the »flatted fifth« or the tritone. It is the interval that divides the diatonic scale in half and tends to be the most dissonant and unstable. If anything, this song is a paean to the augmented fourth-hence the title.

Reflections
First recorded on December 18, 1952 (Prestige LP 7027), it was not issued until 1956. Although it is often thought of as a ballad, Monk originally played it at medium tempo. Even his solo version of »Reflections,« recorded on Paris in 1954 (Vogue), was delivered just slightly slower than his Prestige trio version. But when he recorded it with Sonny Rollins in 1957 (Blue Note 1558) – perhaps the best known version – he turned it into a lovely ballad. The dynamic interplay between Monk and Rollins on this recording has been commented upon and studied by critics for decades. According to discographer Chris Sheridan, the alternative title of Portrait of an Eremite was given by French producer André Francis because he wasn’t given the proper title. Eremite or ermite, in French, means hermit. — Jon Hendricks added lyrics and retitled it »Looking Back«. It has since been recorded by several vocalists.

Rhythm-a-ning
One of Monk’s most recorded and performed songs, he doesn’t actually put it on wax under this title until May 15, 1957, at a recording session led by drummer Art Blakey (Atlantic 1278). Monk certainly made the melody his own, but the truth is that the »A« section of Rhythm-a-ning can be heard as early as 1936, on Mary Lou Williams’s arrangement of »Walking and Swinging« twenty-six bars into the second chorus. The same melodic line was claimed by guitarist Charlie Christian (with whom Monk played at Minton’s Playhouse) as »Pagin’ Doctor Christian« or »Meet Dr. Christian«, by Al Haig as »Opus Caprice,« and by Sonny Stitt as »Symphony Hall Swing.« Indeed, on one recording from Minton’s in 1941, Monk is identified as the pianist on a version of the song listed as »Meet Dr. Christian.« But in the end, Monk would eventually seize ownership of the tune and make it distinctively his own. The title, of course, references the fact that it is based on the chord changes to Gershwin’s »I Got Rhythm,« popularly known in the bebop world as »rhythm changes.« — Jon Hendricks added lyrics and retitled it »Listen to Monk«. And again, several vocalists recorded it.

Round Lights
Recorded once on October 21, 1959, in San Francisco (Riverside RLP12-312), »Round Lights« is a slow, twelve-bar blues for solo piano.

‘Round Midnight (aka ‘Round About Midnight and Grand Finale)
Certainly the most recorded Thelonious Monk song of all time, Monk was not the first to record it. Cootie Williams’s Orchestra recorded it in 1944 and used it as their theme song. He also took co-composer credit for »“Round Midnight« despite not having contributed anything to the score. Bernie Hanighen added lyrics and suddenly Monk was forced to share composer credit (and royalties) with two other people. In 1946, Dizzy Gillespie added his famous introduction and cadenza for his big band arrangement, which proved so popular that Monk added it (albeit an altered version) to his own performance of »Round Midnight.« It is now a standard part of the song. Monk first recorded it as a leader on November 21, 1947 (Blue Note 543). — Although Hanighen’s lyrics have been sung by many vocalists over the years, Robert Craft added a new set of lyrics and recorded it as »The Night That Monk Returned To Heaven.«

Ruby, My Dear (aka Manhattan Moods)
A beautiful ballad and one of Monk’s best known compositions, it was written originally for his then girlfriend, Ruby Richardson. Monk was probably still a teenager when he composed »Ruby, My Dear.« — Both Sally Swisher and Mike Ferro have added lyrics and retitled the song »Dear Ruby« and »It’s Over Now«, respectively.

San Francisco Holiday (aka Worry Later)
First recorded on April 28, 1960, at the Blackhawk in San Francisco (Riverside RLP12-323), Monk had given it the title »Worry Later« initially as a response to Orrin Keepnews’s question as to what to call it. Eventually, he settled on »San Francisco Holiday« to the fact that his West Coast gig proved to be a kind of family vacation.

Shuffle Boil
First recorded with the Gigi Gryce quartet on October 15, 1955 (Signal S1201), the song was then resurrected in 1964 and, for about a year, became part of the band’s repertoire. With it’s wide intervallic leaps, »Shuffle Boil« was particularly treacherous for tenor saxophonists since the highest notes are outside of the horn’s range. Some sources suggest that Monk taught Charlie Rouse how to achieve these notes through false fingering.

Sixteen
Recorded only once (two takes), at the Blue Note session of May 30, 1952, but it was not released until many years later, when Blue Note decided to issue Monk’s complete recordings. The title seemed temporary; it referred to the sixteen bar AABA structure of the song, but that is what Monk wrote on the sheet music. A complex, angular melody based on chord changes similar to those of Sonny Rollins’s »Doxy,« it proved a formidable challenge for great musicians such as Kenny Dorham, Lou Donaldson, and Lucky Thompson.

Skippy
Named after Nellie’s sister, this song was ecorded only once (three takes), on May 30, 1952 (Blue Note 1602, 1511). It is a rare example of an uptempo Monk composition. The A section is particularly difficult, which may explain why the horns only play the entire melody on the out chorus and not at the beginning. Whatever the case, it is interesting to note that Monk never returned to these more boppish tunes such as »Skippy, Sixteen and Humph.«

Something in Blue
Recorded in London on November 15, 1971 (Black Lion BLP 30119), another classic, slow, solo blues played in Monk’s unorthodox stride piano style.

Straight, No Chaser
Recorded July 23, 1951 (Blue Note 1589, 1511), it is only the second blues Monk recorded-Misterioso being the first. Like Misterioso, Straight, No Chaser is not like other blues in that the melody breaks with the typical four-bar phrasing and extends beyond the bar line. It is also the only blues he recorded in F (all others, including a few versions of “Straight No Chaser,” are in Bb). It has become a true standard in jazz repertoire. — Sally Swisher added lyrics and recorded it under the title »Get it Straight«.

Stuffy Turkey
First recorded on January 30, 1964 (Columbia CL2184), this Monk original is frequently confused with Coleman Hawkins’s and Sir Charles Thompson’s Stuffy. Although both songs are based on »rhythm changes,« the melodies are quite different. Bud Powell also acknowledges Monk’s authorship of Stuffy Turkey in a home recording of it in Paris in February of 1964, just two weeks after Monk took it into the studio for Columbia records. These home recordings, a tribute to Monk’s music, were made around the time of Monk’s European tour.

Teo
First recorded on March 9, 1964 (Columbia CL2291), Teo was written for Monk’s producer at the time, Teo Macero. Based on Eddie Durham’s »Topsy« – a favorite back in the days of Minton’s Playhouse recast as Swing to Bop-it should not be confused with Miles Davis’s Spanish – tinged Teo, which he wrote for Macero in 1961. Macero also produced Miles at Columbia records.

Thelonious
First recorded on October 15, 1947 (Blue Note 542), it is a brilliant example of Monk’s use of ostinato (a short phrase repeated throughout a composition). Based on the reiteration of a single note (Bb) played over descending chord progressions, the song has an unusual 36-bar AABA structure: the second and last »A« sections are 10 measures long rather than the more traditional eight measures. Thelonious is widely regarded as one of Monk’s classic compositions.

Think of One
First recorded on November 13, 1953 (the infamous »Friday the Thirteenth« session) and released on Prestige (PRLP 166), Think of One shares many features with Thelonious-notably, Monk’s use of ostinato. It is based on one note repeated over a stoptime rhythm in the A section, which releases to a swinging bridge. Think of One has not been recorded many times, nor have many artists explored this part of Monk’s repertoire. — Fleurine Verlopp added lyrics and retitled it »When I Think of One.«

Trinkle Tinkle
First recorded in a trio setting on December 18, 1952 (Prestige 838), the best known version of Trinkle Tinkle was made with John Coltrane in July of 1957 (Jazzland JLP[9]46). Like Work and Four in One, it has an extremely difficult melody for a horn player (or for any instrumentalist, for that matter), replete with sixteenth note runs and very angular phrasing. The Monk/Coltrane version is considered by many critics to be among the essential jazz recordings of all times. There are mixed stories behind the title; producer Ira Gitler believes he might have misunderstood Monk who may have said »Twinkle, Twinkle« instead of what he heard. On the other hand, all the great stride pianists with whom Monk identified called themselves »ticklers,« so it might have been a playful corruption of that word. Either way, Monk continued to use »Trinkle Tinkle« long after the 1952 recording.

Two Timer (aka Five Will Get You Ten)
Monk himself never recorded this composition, which he apparently wrote in the late 1950s. Pianist Sonny Clark, who turned to Monk a few times when his heroin addition left him broke and virtually homeless, somehow got a hold of the music. Either Monk gave him the song (along with money) to help him get by, or Clark »found« it in Monk’s house. Whatever happened, Clark ended up taking composer’s credit and recorded it in a session led by alto saxophonist Jackie McLean in October 1961 as »Five will Get You Ten«. The first to record »Two Timer« under its original title was T. S. Monk, who had discovered the original manuscript among his father’s papers. His version appears on »Monk on Monk« (N2KE - 10017)

Ugly Beauty
The first known recording of Ugly Beauty took place on November 14, 1967, for a taped television broadcast. Exactly one month later, Monk’s quartet made their only studio recording of this song (Columbia CS9632). Ugly Beauty is significant in that it is Monk’s only composed waltz; he arranged a wonderful version of Benny Davis and Joe Burke’s »Carolina Moon« in 6/4 time for Blue Note in 1952, but that was the only recorded evidence we have of Monk exploring waltz time. — Mike Ferro added lyrics and recorded it as »Still We Dream.«

Well You Needn’t
First recorded for Blue Note (549) on October 24, 1947, it is one of Monk’s most recorded and most popular tunes, and a very good example of Monk’s penchant for chromatic harmonic motion.

We See (aka Manganese)
First recorded on May 11, 1954 (Prestige PRLP 180), the bouncy, medium tempo »We See« has a »happy« melody - the A section is singable. It was mistitled Manganese when Monk recorded it in France in 1954. His produced, Andre Francis, came up with the title as a French-speaking pun on »Monk at Ease.« And, of course, it refers to the mineral.

Who Knows
Yet another Blue Note-era tune recorded once and disbanded, Who Knows required eight takes when it was recorded on October 21, 1947 session (Blue Note 1565, BNJ61011). Trumpeter George »Flip« Taitt and alto saxophonist Sahib Shihab had a difficult time negotiating the melody, especially at a fast tempo.

Work
Only recorded once, in a trio setting on September 22, 1954 (Prestige PRLP 189), »Work« is a dissonant, difficult, wild melodic ride that artists have been willing to take. The title speaks for itself. Besides Monk’s version of Work, for which he alone is responsible for stating the melody, one of the few musicians to take up the challenge was soprano saxophonist Steve Lacy, who recorded it on his debut album (Prestige 7125) in November of 1957.



List compiled and annotated by
Robin D. G. Kelley



LEONARDO





Proportionsschema der menschlichen Gestalt
nach Vitruv Skizze von Leonardo da Vinci, 1485/90,
Venedig, Galleria dell' Accademia




AM ANFANG



Georg Simmel: Soziologische Aesthetik



Die Betrachtung des menschlichen Tuns verdankt ihren immer erneuten Reiz der unerschöpflich mannigfaltigen Mischung von gleichartiger, steter Wiederkehr weniger Grundtöne und wechselnder Fülle ihrer individuellen Variierungen, deren keine ganz der anderen gleicht.

Auf eine erstaunlich geringe Zahl ursprünglicher Motive lassen sich die Tendenzen, Entwicklungen, Gegensätze der Menschengeschichte zurückführen.

Was man von der Dichtung behauptet hat: dass sowohl Lyrik wie Dramatik nur in der wechselnden Ausgestaltung einer eng begrenzten Zahl äusserer und innerer Schicksalsmöglichkeiten bestünden. -

Das gilt von jedem Gebiete menschlicher Betätigung; und je weiter wir die Gebiete fassen, desto mehr schmilzt die Zahl der Grundmotive zusammen, um schliesslich bei der allgemeinsten Betrachtung des Lebens fast überall nur in eine Zweiheit zu münden, als deren Kampf, Kompromiss, Kombination zu immer neuen Gestalten alles Leben erscheint.

Auf solchen Dualismus von Denk- und Lebensrichtungen, in dem die Grundströmungen des Menschlichen zu ihrem einfachsten Ausdruck kämen, strebt jede Epoche, die unübersehbare Fülle ihrer Erscheinungen zurückzuführen.

Nur aber in Symbolen und Beispielen ist jener tiefe Lebensgegensatz alles Menschlichen zu begreifen und jeder grossen historischen Periode erscheint eine andere Ausgestaltung dieses Gegensatzes als sein Grundtypus und Urform.

So tauchte am Anfang der griechischen Philosophie der grosse Gegensatz zwischen Heraklit und den Eleaten auf: für jenen war alles Sein in ewigem Flusse; in der Mannigfaltigkeit unendlicher Kontraste, die sich unaufhörlich in einander umsetzen, vollzieht sich ihm der Weltprozess; für die Eleaten dagegen gab es jenseits des trüglichen Sinnenscheines nur ein einziges ruhendes Sein, allumfassend, ungespalten, die absolute, unterschiedlose Einheit der Dinge.

Das war die Grundform, die die grosse Parteiung alles menschlichen Wesens für das griechische Denken annahm und die das Thema für seine gesamte Entwickelung gab.

Mit dem Christentum trat eine andere Ausgestaltung auf: der Gegensatz des göttlichen und des irdischen Prinzips.

Allem spezifisch christlichen Leben erschien Dies als der letzte und absolute Gegensatz der Wesensrichtungen, auf den alle Unterschiede des Wollens und Denkens zurückgeführt werden mussten, der aber selbst auf keinen tieferen mehr hinwies.

Die Lebensanschauungen der neueren Zeit haben Das zu dem fundamentalen Gegensatz von Natur und Geist weitergeführt.

Die Gegenwart endlich hat für jenen Dualismus, der zwischen die Menschen, ja, durch die einzelne Seele seine Furche zieht, die Formel der sozialistischen und der individualistischen Tendenz gefunden.

Hiermit scheint wiederum ein letzter typischer Unterschied der Charaktere von Menschen und Einrichtungen ausgesprochen, eine Wasserscheide gefunden, an der ihre Richtungen sich trennen, um dann, doch wieder zusammenfliessend, die Wirklichkeit nach den verschiedenen Massen ihrer Mitwirkung zu bestimmen.

Durch alle Fragen des Lebens scheint sich die Linie zu verlängern, die diese Denkweisen trennt und auf den entferntesten Gebieten, an den mannigfaltigsten Materien zeigt sich die Form der Charakterbildung, die sich auf dem sozialpolitischen in dem Gegensatz sozialistischer und individualistischer Neigungen ausprägt.

Sie bestimmt nicht weniger die Tiefen rein materieller Lebensinteressen als die Höhen der ästhetischen Weltanschauung.

Das Wesen der ästhetischen Betrachtung und Darstellung liegt für uns darin, dass in dem Einzelnen der Typus, in dem Zufälligen das Gesetz, in dem Äusserlichen und Flüchtigen das Wesen und die Bedeutung der Dinge hervortreten.

Dieser Reduktion auf Das, was an ihr bedeutsam und ewig ist, scheint keine Erscheinung sich entziehen zu können.

Auch das Niedrigste, an sich Hässlichste, lässt sich in einen Zusammenhang der Farben und Formen, der Gefühle und Erlebnisse einstellen, der ihm reizvolle Bedeutsamkeit verleiht; in das Gleichgültigste, das uns in seiner isolierten Erscheinung banal oder abstossend ist, brauchen wir uns nur tief und liebevoll genug zu versenken, um auch Dies als Strahl und Wort der letzten Einheit aller Dinge zu empfinden, aus der ihnen Schönheit und Sinn quillt und für die jede Philosophie, jede Religion, jeder Augenblick unserer höchsten Gefühlserhebungen nach Symbolen ringen.

Wenn wir diese Möglichkeit ästhetischer Vertiefung zu Ende denken, so gibt es in den Schönheitswerten der Dinge keine Unterschiede mehr.

Die Weltanschauung wird ästhetischer Pantheismus, jeder Punkt birgt die Möglichkeit der Erlösung zu absoluter ästhetischer Bedeutsamkeit, aus jedem leuchtet für den hinreichend geschärften Blick die ganze Schönheit, der ganze Sinn des Weltganzen hervor.

Damit aber hat das Einzelne die Bedeutung verloren, die es gerade als Einzelnes und im Unterschiede gegen alles Andere besitzt.

Denn nicht so lässt diese sich bewahren, dass man etwa sagte, die überall gleich mögliche ästhetische Formung und Vertiefung der Dinge lasse der inhaltlichen, qualitativen Verschiedenheit ihrer Schönheiten vollen Raum, sie bedeute nur ästhetische Gleichwertigkeit, nicht Gleichartigkeit, sie hebe nur die Unterschiede des Ranges auf diesem Gebiete auf, aber nicht die der Farben und Töne, der Sinne und Gedanken, des Allegro und des Adagio.

Diese Vorstellung, die die Reize der ästhetischen Allgleichheit und Alleinheit mit denen des ästhetischen Individualismus versöhnen will, tut doch dessen Forderung nicht ganz Genüge.

Denn gerade die Rangordnung der Werte, der Aufbau des Bedeutsamen über das Gleichgültigere, die organische Steigerung und Entwicklung, die aus dein Stumpfen das Beseelte, aus dem Rohen das Feine herauswachsen lässt, gibt den Gipfeln dieser Reihe einen Hintergrund, eine Höhe und Leuchtkraft, die bei ästhetischer Gleichwertigkeit der Objekte von keinem unter ihnen erreicht wird.

Für sie ergiesst sich ein gleich heller Glanz über alle Dinge, der zwar das Niedrigste dem Höchsten gleichstellt, dafür aber auch das Höchste dem Niedrigsten.

An Unterschiede sind unsere Empfindungen geknüpft, die Wertempfindung nicht weniger als die des Haut- oder Wärmesinnes.

Wir können nicht immer auf gleicher Höhe wandeln, wenigstens nicht auf der höchsten, die uns in unseren besten Augenblicken zugänglich ist; und so müssen wir die Erhebung des Niedrigsten in die ästhetische Höhe mit dem Verzicht auf jene Aufschwünge bezahlen, die nur seltene, vereinzelte sein können und sich nur über den Untergrund einer tiefer gelegenen, dumpferen und dunkleren Welt erheben.

Aber nicht nur diese Bedingtheit alles Empfindens durch den Unterschied, die wir als abzustreifende Fessel und Unvollkommenheit unseres Wesens empfinden mögen, knüpft den Wert der Dinge an ihren Abstand von einander: auf eben diesem Abstand an und für sich ruht ein Schönheitwert.

Dass die Welt nach Licht und Finsternis geschieden ist, dass ihre Elemente nicht in Gleichwertigkeit formlos in einander verschwimmen, sondern jedes in einem Stufenbau der Werte seine Stelle habe zwischen einem höheren und einem tieferen, dass das Rohere und Niedere den Sinn seiner Existenz darin finde, Träger und Hintergrund des Feinen, Hellen, Hohen zu sein: Das ist an sich ein höchster ästhetischer Reiz und Wert des Weltbildes.

So scheiden sich unversöhnliche Wege: Der, dem tausend Tiefen lohnen, um der einen Höhe willen, und der den Wert der Dinge in ihrem Gipfel findet, von dem er zurückstrahlend allem Niederen seinen Sinn und sein Wertmass zuteilt, - er wird nie den Anderen verstehen, der aus dem Wurm die Stimme Gottes reden hören will und den Anspruch jedes Dinges, so viel zu gelten wie das andere, als Gerechtigkeit empfindet.

Und wer das Schauspiel der Gliederung und Abstufung, der Formung des Weltbildes nach dem Mehr oder Minder ihrer Schönheit nicht entbehren mag, - Der wird nie in einer inneren Welt leben mit dem Anderen, der die Harmonie der Dinge in ihrer Gleichheit sieht, so dass Reiz und Hässlichkeit des Anblickes, törichtes Chaos und sinnvolle Form nur verhüllende Gewänder sind, hinter denen er überall die selbe Schönheit und Seele des Seins sieht, nach der sein Gemüt dürstet.

Hier nach einer Versöhnung zu suchen, nach einem Begriff und Theorie, die diese Gegenrichtungen der Wertgefühle als verträgliche und in einer höheren Strebung zusammenlaufende demonstriert, weil in vielen Seelen tatsächlich beide mit geteilten Rechten herrschen: Das ist so viel wie: den Gegensatz von Tag und Nacht hinweg beweisen, weil es eine Dämmerung gibt.

Hier stehen wir an den Quellen alles Menschlichen, die je nach den Gebieten, durch die sie fliessen, die ungeheuren Gegensätze des politischen Sozialismus und Individualismus, der pantheistischen oder atomistischen Erkenntnis, der ästhetischen Ausgleichung oder Differenzierung aufblühen lassen.

Diese Quellen selbst, diese letzten Wesensrichtungen, können wir nicht mit Worten bezeichnen; nur an jenen einzelnen Erscheinungen, die sie in ihrer Lenkung der empirischen Lebensinhalte, gleichsam in der Mischung mit diesen, ergeben, kann man sie erkennen oder wenigstens auf sie hinweisen als auf die unbekannten Kräfte, die die Materie unseres Daseins zu ihren Formen gestalten, ewig unversöhnt und eben dadurch jede der anderen den frischen Reiz erregend, der dem Leben unserer Gattung seine Rastlosigkeit, seinen Kampf, sein Schwingen zwischen Gegensätzen verbürgt, so dass die Befriedigung des Einen den kräftigsten Ansturm des Anderen lockt.

Und hierin allein liegt, was man ihre Versöhnung nennen könnte: nicht in dem öden Nachweis, dass sie sich auf eine begriffliche Einheit reduzieren lassen, sondern darin, dass sie sich in einer Gattung von Wesen, ja, in jeder einzelnen Seele fortwährend begegnen und bekämpfen.

Denn Das eben ist die Höhe und Herrlichkeit der Menschenseele, dass ihr lebendiges Leben, ihre unbegriffene Einheit, in jedem Augenblick die Kräfte in sich wirken lässt, die an sich doch aus völlig unvereinbaren Quellen nach völlig unvereinbaren Mündungen fliessen.

Am Anfang aller ästhetischen Motive steht die Symmetrie.

Um in die Dinge Idee, Sinn, Harmonie zu bringen, muss man sie zunächst symmetrisch gestalten, die Teile des Ganzen unter einander ausgleichen, sie ebenmässig um einen Mittelpunkt herum ordnen.

Die formgebende Macht des Menschen gegenüber der Zufälligkeit und Wirrnis der bloss natürlichen Gestaltung wird damit auf die schnellste, sichtbarste und unmittelbarste Art versinnlicht.

So führt der erste ästhetische Schritt über das blosse Hinnehmen der Sinnlosigkeit der Dinge hinaus zur Symmetrie, bis später Verfeinerung und Vertiefung gerade wieder an das Unregelmässige, an die Asymmetrie, die äussersten ästhetischen Reize knüpft.

In symmetrischen Bildungen gewinnt der Rationalismus zuerst sichtbare Gestalt.

So lange das Leben überhaupt noch triebhaft, gefühlsmässig, irrationell ist, tritt die ästhetische Erlösung von ihm in so rationalistischer Form auf.

Wenn Verstand, Berechnung, Ausgleichung es erst durchdrungen haben, flieht das ästhetische Bedürfnis wiederum in seinen Gegensatz und sucht das Irrationale und seine äussere Form, das Unsymmetrische.

Die niedrigere Stufe des ästhetischen Triebes spricht sich im Systembau aus, der die Objekte in ein symmetrisches Bild fasst.

So brachten z. B. Bussbücher des sechsten Jahrhunderts die Sünden und Strafen in Systeme von mathematischer Präzision und ebenmässigem Aufbau.

Der erste Versuch, die sittlichen Irrungen in ihrer Gesamtheit geistig zu bewältigen, erfolgte so in der Form eines möglichst mechanischen, durchsichtigen, symmetrischen Schemas; wenn sie unter das Joch des Systems gebeugt waren, konnte der Verstand sie am Schnellsten und gleichsam mit dem geringsten Widerstande erfassen.

Die Systemform zerbricht, sobald man der eigenen Bedeutsamkeit des Objektes innerlich gewachsen ist und sie nicht erst aus einem Zusammenhang mit anderen zu entlehnen braucht; in diesem Stadium verblasst deshalb auch der ästhetische Reiz der Symmetrie, mit der man sich die Elemente zunächst zurechtlegte.

Man kann nun an der Rolle, die die Symmetrie in sozialen Gestaltungen spielt, recht erkennen, wie scheinbar rein ästhetische Interessen durch materielle Zweckmässigkeit hervorgerufen werden und umgekehrt ästhetische Motive in die Formungen hineinwirken, die scheinbar der reinen Zweckmässigkeit folgen.

Wir finden z. B. in den verschiedensten alten Kulturen die Zusammenschliessung von je zehn Mitgliedern der Gruppe zu einer besonderen Einheit - in militärischer, steuerlicher, kriminalistischer und sonstigen Beziehungen -, oft so, dass zehn solcher Untergruppen wieder eine höhere Einheit, die Hundertschaft, bilden.

Der Grund dieser symmetrischen Konstruktion der Gruppe war sicher die leichtere Übersichtlichkeit, Bezeichenbarkeit, Lenksamkeit.

Das eigentümlich stilisierte Bild der Gesellschaft, das bei diesen Organisationen herauskam, ergab sich als Erfolg blosser Nützlichkeiten.

Wir wissen aber ferner, dass diese Bedeutung der »Hundert« schliesslich oft nur noch zur Konservierung der blossen Bezeichnung führte: jene Hundertschaften enthielten oft mehr, oft weniger als hundert Individuen.

Im mittelalterlichen Barcelona z. B. hiess der Senat die Einhundert, obgleich er etwa zweihundert Mitglieder hatte.

Diese Abweichung von der ursprünglichen Zweckmässigkeit der Organisation, während doch zugleich deren Fiktion festgehalten wurden, zeigt den Übergang des bloss Nützlichen in das Ästhetische, den Reiz der Symmetrie, der architektonischen Neigungen im sozialen Wesen.

Die Tendenz zur Symmetrie, zu gleichförmiger Anordnung der Elemente nach durchgehenden Prinzipien, ist nun weiterhin allen despotischen Gesellschaftsformen eigen.

Justus Möser schrieb 1772: »Die Herren vom General-Departement möchten gern Alles auf einfache Regeln zurückgeführt haben. Dadurch entfernen wir uns von dem wahren Plane der Natur, die ihren Reichtum in der Mannigfaltigkeit zeigt, und bahnen den Weg zum Despotismus, der Alles nach wenigen Regeln zwingen will.«

Die symmetrische Anordnung macht die Beherrschung der Vielen von einem Punkt aus leichter.

Die Anstösse setzen sich länger, widerstandsloser, berechenbarer durch ein symmetrisch angeordnetes Medium fort, als wenn die innere Struktur und die Grenzen der Teile unregelmässig und fluktuierend sind.
So wollte Karl V. alle ungleichmässigen und eigenartigen politischen Gebilde und Rechte in den Niederlanden nivellieren und diese zu einer in allen Teilen gleichmässigen Organisation umgestalten; »er hasste«, so schreibt ein Historiker dieser Epoche, »die alten Freibriefe und störrischen Privilegien, die seine Ideen von Symmetrie störten.«

Und mit Recht hat man die ägyptischen Pyramiden als Symbole des politischen Baues bezeichnet, den die grossen orientalischen Despoten aufführten: eine völlig symmetrische Struktur der Gesellschaft, deren Elemente nach oben hin an Umfang schnell abnehmen, an Höhe der Macht schnell zunehmen, bis sie in die eine Spitze münden, die gleichmässig das Ganze beherrscht.

Ist diese Form der Organisation auch aus ihrer blossen Zweckmässigkeit für die Bedürfnisse des Despotismus hervorgegangen, so wächst sie doch in eine formale, rein ästhetische Bedeutung hinein: der Reiz der Symmetrie, mit ihrer inneren Ausgeglichenheit, ihrer äusseren Geschlossenheit, ihrem harmonischen Verhältnis der Teile zu einem einheitlichen Zentrum wirkt sicher in der ästhetischen Anziehungskraft mit, die die Autokratie, die Unbedingtheit des einen Staatswillens auf viele Geister, ausübt.

Deshalb ist die liberale Staatsform umgekehrt der Asymmetrie zugeneigt.

Ganz direkt hebt Macaulay, der begeisterte Liberale, Das als die eigentliche Stärke des englischen Verfassungslebens hervor. »Wir denken«, so sagt er, »gar nicht an die Symmetrie, aber sehr an die Zweckmässigkeit; wir entfernen niemals eine Anomalie, bloss weil es eine Anomalie ist; wir stellen keine Normen von weiterem Umfang auf, als es der besondere Fall, um den es sich gerade handelt, erfordert. Das sind die Regeln, die im Ganzen, vom König Johann bis zur Königin Viktoria, die Erwägungen unserer 250 Parlamente geleitet haben.«

Hier wird also das Ideal der Symmetrie und logischen Abrundung, die allem Einzelnen von einem Punkte aus seinen Sinn gibt, zu Gunsten jenes anderen verworfen, das jedes Element sich nach seinen eigenen Bedingungen unabhängig ausleben und so natürlich das Ganze eine regellose und ungleichmässige Erscheinung darbieten lässt.

Dennoch liegt auch in dieser Asymmetrie, dieser Befreiung des individuellen Falles von der Präjudizierung durch sein Pendant, ein ästhetischer Reiz neben all ihren konkreten Motiven.

Dieser Oberton klingt deutlich aus den Worten Macaulays heraus; er stammt aus dem Gefühl, dass diese Organisation das innere Leben des Staates zum typischsten Ausdruck und in die harmonischste Form bringe.

Am Entschiedensten wird der Einfluss ästhetischer Kräfte auf soziale Tatsachen in dem modernen Konflikt zwischen sozialistischer und individualistischer Tendenz sichtbar.

Dass die Gesellschaft als Ganzes ein Kunstwerk werde, in dem jeder Teil einen erkennbaren Sinn vermöge seines Beitrages zum Ganzen erhält; dass an Stelle der rhapsodischen Zufälligkeit, mit der die Leistung des Einzelnen jetzt zum Nutzen oder zum Schaden der Gesamtheit gereicht, eine einheitliche Direktive alle Produktionen zweckmässig bestimme, dass statt der kraftverschwendenden Konkurrenz und des Kampfes der Einzelnen gegeneinander eine absolute Harmonie der Arbeiten eintrete - diese Ideen des Sozialismus wenden sich zweifellos an ästhetische Interessen und - aus welchen sonstigen Gründen man auch seine Forderungen verwerfen mag - sie widerlegen jedenfalls die populäre Meinung, dass der Sozialismus, ausschliesslich den Bedürfnissen des Magens entsprungen, auch ausschliesslich in sie münde; und die soziale Frage ist nicht nur eine ethische, sondern auch eine ästhetische.1)


Die rationelle Organisation der Gesellschaft hat, ganz abgesehen von ihren fühlbaren Folgen für die Individuen, einen hohen ästhetischen Reiz; sie will das Leben des Ganzen zum Kunstwerk machen, wie es jetzt kaum das Leben des Einzelnen sein kann.

Je zusammengesetztere Gebilde unsere Anschauung zu umfassen befähigt ist, desto entschiedener wird die Anwendung der ästhetischen Kategorien von den individuellen, sinnlich wahrnehmbaren zu den sozialen Gebilden aufwärts schreiten.

Es handelt sich hier um den gleichen ästhetischen Reiz wie den, den die Maschine auszuüben vermag.

Die absolute Zweckmässigkeit und Zuverlässigkeit der Bewegungen, die äusserste Verminderung der Widerstände und Reibungen, das harmonische Ineinandergreifen der kleinsten und der grössten Bestandteile: Das verleiht der Maschine selbst bei oberflächlicher Betrachtung eine eigenartige Schönheit, die die Organisation einer Fabrik in erweitertem Masse wiederholt und die der sozialistische Staat im allerweitesten wiederholen soll.

Dieses eigentümliche, auf Harmonie und Symmetrie hingebende Interesse, in dem der Sozialismus seinen rationalistischen Charakter zeigt und mit dem er das soziale Leben gleichsam stilisieren will, tritt rein äusserlich darin hervor, dass sozialistische Utopien die lokalen Einzelheiten ihrer Idealstädte oder -staaten immer nach dem Prinzip der Symmetrie konstruieren: entweder in Kreisform oder in quadratischer Form werden die Ortschaften oder Gebäude angeordnet.

In Campanellas Sonnenstaat ist der Plan der Reichshauptstadt mathematisch abgezirkelt, eben so wie die Tageseinteilung der Bürger und die Abstufung ihrer Rechte und Pflichten.

Dieser allgemeine Zug sozialistischer Pläne zeugt nur in roher Form für die tiefe Anziehungskraft, die der Gedanke der harmonischen, innerlich ausgeglichenen, allen Widerstand der irrationalen Individualität überwindenden Organisation des menschlichen Tuns ausübt, - ein Interesse, das, ganz jenseits von den materiell greifbaren Folgen solcher Organisation, sicher auch als ein rein formal ästhetisches einen nie ganz verschwindenden Faktor in den sozialen Gestaltungen bildet.

Wenn man die Anziehungskraft des Schönen darein gesetzt hat, dass seine Vorstellung eine Kraftersparnis des Denkens bedeute, das Abrollen einer maximalen Anzahl von Vorstellungen mit einem Minimum von Anstrengung, so erfüllt die symmetrische, gegensatzfreie Konstruktion der Gruppe, wie der Sozialist sie erstrebt, diese Forderung vollkommen.

Die individualistische Gesellschaft mit ihren heterogenen Interessen, mit ihren unversöhnten Tendenzen, ihren unzählige Male begonnenen und - weil nur von Einzelnen getragen - eben so oft unterbrochenen Entwicklungsreihen: eine solche Gesellschaft bietet dem Geiste ein unruhiges, sozusagen unebenes Bild, ihre Wahrnehmung fordert fortwährend neue Innervationen, ihr Verständnis neue Anstrengung; während die sozialistische, ausgeglichene Gesellschaft mit ihrer organischen Einheitlichkeit, ihrer symmetrischen Anordnung, der gegenseitigen Berührung ihrer Bewegungen in gemeinsamen Zentren dem beobachtenden Geist ein Maximum von Wahrnehmungen, ein Umfassen des sozialen Bildes mit einem Minimum von geistigem Kraftaufwand ermöglicht, -eine Tatsache, deren ästhetische Bedeutung viel mehr, als diese abstrakte Formulierung verrät, die psychischen Verfassungen in einer sozialistischen Gesellschaft beeinflussen müsste.

Symmetrie bedeutet im Ästhetischen Abhängigkeit des einzelnen Elementes von seiner Wechselwirkung mit allen anderen, zugleich aber Abgeschlossenheit des damit bezeichneten Kreises; während asymmetrische Gestaltungen mit dem individuelleren Rechte jedes Elementes mehr Raum für frei und weit ausgreifende Beziehungen gestatten.

Dem entspricht die innere Organisation des Sozialismus und die Erfahrung, dass alle historischen Annäherungen an sozialistische Verfassung immer nur in streng geschlossenen Kreisen stattfanden, die alle Beziehungen zu ausserhalb gelegenen Mächten ablehnten.

Diese Geschlossenheit, die sowohl dem ästhetischen Charakter der Symmetrie wie dem politischen Charakter des sozialistischen Staates eignet, hat zur Folge, dass man angesichts des nicht aufzuhebenden internationalen Verkehrs allgemein betont, der Sozialismus könne nur einheitlich in der ganzen Kulturwelt, nicht aber in irgend einem einzelnen Lande zur Herrschaft kommen.

Nun aber zeigt sich die Geltungweite der ästhetischen Motive darin, dass sie sich mit mindestens der gleichen Kraft auch zu Gunsten des entgegengesetzten sozialen Ideals äussern.

Die Schönheit, die heute tatsächlich empfunden wird, trägt noch fast ausschliesslich individualistischen Charakter.

Sie knüpft sich im Wesentlichen an einzelne Erscheinungen, sei es in ihrem Gegensatz zu den Eigenschaften und Lebensbedingungen der Masse, sei es in direkter Opposition gegen sie.

In diesem Sich-Entgegensetzen und Isolieren des Individuums gegen das Allgemeine, gegen das, was für Alle gilt, ruht grossenteils die eigentlich romantische Schönheit, - selbst dann, wenn wir es zugleich ethisch verurteilen.

Gerade dass der Einzelne nicht nur das Glied eines grösseren Ganzen, sondern selbst ein Ganzes sei, das nun als Solches nicht mehr in jene symmetrische Organisation sozialistischer Interessen hineinpasst, - gerade das ist ein ästhetisch reizvolles Bild.

Selbst der vollkommenste soziale Mechanismus ist eben Mechanismus und entbehrt der Freiheit, die, wie man sie auch philosophisch ausdeuten möge, doch als Bedingung der Schönheit erscheint.

So sind denn auch von den in letzter Zeit hervorgetretenen Weltanschauungen die am entschieden individualistischsten: die des Rembrandt und die Nietzsches, durchweg von ästhetischen Motiven getragen.

Ja, so weit geht der Individualismus des modernen Schönheitsempfindens, dass man Blumen, insbesondere die modernen Kulturblumen, nicht mehr zum Strausse binden mag: man lässt sie einzeln, bindet höchstens einzelne ganz lose zusammen.

Jede ist zu sehr Etwas für sich, sie sind ästhetische Individualitäten, die sich nicht zu einer symmetrischen Einheit zusammenordnen; wogegen die unentwickelteren, gleichsam noch mehr im Gattungstypus verbliebenen Wiesen- und Waldblumen gerade entzückende Sträusse geben.

Diese Bindung der gleichartigen Reize an unversöhnliche Gegensätze weist auf den eigentümlichen Ursprung der ästhetischen Gefühle hin.

So wenig Sicheres wir über diesen wissen, so empfinden wir doch als wahrscheinlich, dass die materielle Nützlichkeit der Objekte, ihre Zweckmässigkeit für Erhaltung und Steigerung des Gattungslebens, der Ausgangspunkt auch für ihren Schönheitswert gewesen ist.

Vielleicht ist für uns das schön, was die Gattung als nützlich erprobt hat und was uns deshalb, insofern diese in uns lebt, Lust bereitet, ohne dass wir als Individuen jetzt noch die reale Nützlichkeit des Gegenstandes genössen.

Diese ist längst durch die Länge der geschichtlichen Entwicklung und Vererbung hinweggeläutert; die materiellen Motive, aus denen unsere ästhetische Empfindung stammt, liegen in weiter Zeitenferne und lassen dem Schönen so den Charakter der »reinen Form«, einer gewissen Überirdischheit und Irrealität, wie sich der gleiche verklärende Hauch über die eigenen Erlebnisse vergangener Zeiten legt.

Nun aber ist das Nützliche ein sehr Mannigfaltiges, in verschiedenen Anpassungsperioden, ja, in verschiedenen Provinzen der selben Periode oft von entgegengesetztestem Inhalt.

Insbesondere jene grossen Gegensätze alles geschichtlichen Lebens: die Organisation der Gesellschaft, für die der Einzelne nur Glied und Element ist, und die Wertung des Individuums, für das die Gesellschaft nur Unterbau sei, gewinnen in Folge der Mannigfaltigkeit der historischen Bedingungen abwechselnd die Vorhand und mischen sich in jedem Augenblick in veränderlichsten Proportionen.

Dadurch sind nun die Voraussetzungen gegeben, auf die hin sich die ästhetischen Interessen der einen sozialen Lebensform so stark wie der anderen zuwenden können.

Der scheinbare Widerspruch: dass der gleiche ästhetische Reiz der Harmonie des Ganzen, in dem der Einzelne verschwindet, und dem Sich-Durchsetzen des Individuums zuwächst, erklärt sich ohne Weiteres, wenn alles Schönheitsempfinden das Destillat, die Idealisierung, die abgeklärte Form ist, mit der die Anpassungen und Nützlichkeitsempfindungen der Gattung in dem Einzelnen nachklingen, auf den jene reale Bedeutung nur als eine vergeistigte und formalistische vererbt worden ist.

Dann spiegeln sich alle Mannigfaltigkeiten und alle Widersprüche der geschichtlichen Entwicklung in der Weite unseres ästhetischen Empfindens, das so an die entgegengesetzten Pole der sozialen Interessen die gleiche Stärke des Reizes zu knüpfen vermag.

Die innere Bedeutsamkeit der Kunststile lässt sich als eine Folge der verschiedenen Distanz auslegen, die sie zwischen uns und den Dingen herstellen.

Alle Kunst verändert die Blickweite, in die wir uns ursprünglich und natürlich zu der Wirklichkeit stellen.

Sie bringt sie uns einerseits näher, zu ihrem eigentlichen und innersten Sinn setzt sie uns in ein unmittelbareres Verhältnis, hinter der kühlen Fremdheit der Aussenwelt verrät sie uns die Beseeltheit des Seins, durch die es uns verwandt und verständlich ist.

Daneben aber stiftet jede Kunst eine Entfernung von der Unmittelbarkeit der Dinge, sie lässt die Konkretheit der Reize zurücktreten und spannt einen Schleier zwischen uns und sie, gleich jenem feinen bläulichen Duft, der sich um ferne Berge spinnt.

An beide Seiten dieses Gegensatzes knüpfen sich gleich starke Reize; die Spannung zwischen ihnen, ihre Verteilung auf die Mannigfaltigkeit der Ansprüche an das Kunstwerk, gibt jedem Kunststil sein eigenes Gepräge.

Im Naturalismus, in seinem Gegensatz zu aller eigentlichen »Stilisierung«, scheint zunächst die Nähe der Objekte zu überwiegen.

Die naturalistische Kunst will aus jedem Stückchen der Welt seine eigene Bedeutsamkeit herausholen, während die stilisierende eine vorgefasste Forderung von Schönheit und Bedeutsamkeit zwischen uns und die Dinge stellt.

Aus dem Boden der unmittelbaren Eindrücke von Wirklichkeit ist alle Kunst genährt, wenn sie auch zur Kunst erst da wird, wo sie über diesen Boden hinauswächst; sie setzt eben einen innerlichen, unbewussten Reduktionprozess voraus, um uns von ihrer Wahrheit und Bedeutsamkeit zu überzeugen; bei der naturalistischen Kunst ist diese Reduktion kurz und bequem.

Sie verlangt deshalb keine so entschiedene und weitreichende Selbsttätigkeit des Geniessenden, sondern vollzieht seine Annäherung an die Dinge auf dem direktesten Wege.

Daher nun auch der Zusammenhang, den die naturalistische Kunst vielfach - wenn auch natürlich nicht im Geringsten notwendig - mit sinnlicher Lüsternheit aufweist.

Denn das ist der Punkt, von dem aus am Schnellsten und Unmittelbarsten eine Aufrüttelung des gesamten inneren Systems stattfinden kann: das Objekt und die subjektive Reaktion darauf stehen hier am Nächsten zusammen.

Dennoch entbehrt auch der Naturalismus nicht eines sehr feinen Reizes der Fernwirkung der Dinge, sobald wir auf die Vorliebe achten, mit der er seine Gegenstände im alltäglichsten Leben, im Niedrigen und Banalen, sucht.

Denn für sehr empfindliche Seelen tritt die eigentümliche Entfernung des Kunstwerkes von der Unmittelbarkeit der Erfahrung gerade dann besonders hervor, wenn das Objekt uns ganz nahe steht.

Für weniger zartes Empfinden bedarf es, um es diesen Reiz der Distanz kosten zu lassen, einer grösseren Ferne des Objektes selbst: stilisiert-italienische Landschaften, historische Dramen; je unkultivierter und kindlicher das ästhetische Gefühl ist, desto phantastischer, der Wirklichkeit ferner, muss der Gegenstand sein, an dem das künstlerische Bilden zu seinem Effekt kommt.

Feinere Nerven bedürfen dieser gleichsam materiellen Unterstützung nicht; für sie liegt in der künstlerischen Formung des Objektes der ganze geheimnisvolle Reiz der Distanz von den Dingen, die Befreiung von ihrem dumpfen Druck, der Schwung von der Natur zum Geist; und um so intensiver werden sie das empfinden, an je näherem, niedrigerem, irdischerem Materiale es sich vollzieht.

Man kann vielleicht sagen, dass das Kunstgefühl der Gegenwart im Wesentlichen den Reiz der Distanz stark betont, gegenüber dem Reiz der Annäherung.

Und es weiss sich diesen nicht nur auf dem angedeuteten Wege des Naturalismus zu verschaffen.

Vielmehr bildet diese eigenartige Tendenz, die Dinge möglichst aus der Entfernung auf sich wirken zu lassen, ein vielen Gebieten gemeinsames Zeichen der modernen Zeit.

Ihm gehört die Vorliebe für räumlich und zeitlich entfernte Kulturen und Stile an.

Das Entfernte erregt sehr viele, lebhaft auf- und abschwankende Vorstellungen und genügt damit unserem vielseitigen Anregungsbedürfnis; doch klingt jede dieser fremden und fernen Vorstellungen wegen ihrer Beziehungslosigkeit zu unsern persönlichsten und materiellen Interessen doch nur schwach an und mutet deshalb den geschwächten Nerven nur eine behagliche Anregung zu.

Daher nun auch der jetzt so lebhaft empfundene Reiz des Fragmentes, der blossen Andeutung, des Aphorismus, des Symbols, der unentwickelten Kunststile.

Alle diese Formen, die in allen Künsten heimisch sind, stellen uns in eine Distanz von dem Ganzen und Vollen der Dinge, sie sprechen zu uns »wie aus der Ferne«, die Wirklichkeit gibt sich in ihnen nicht mit gerader Sicherheit, sondern mit gleich zurückgezogenen Fingerspitzen.

Der literarische Stil des Jahrhunderts, dessen letzte Raffinements in Paris und Wien ausgebildet sind, vermeidet die direkte Bezeichnung der Dinge, fasst sie nur an einem Zipfel, streift mit dem Worte nur eine Ecke, der Ausdruck und die Sache decken sich nur mit irgend einem möglichst abgelegenen Stückchen.

Es ist die pathologische Erscheinung der »Berührungsangst«, von der hiermit ein niederer Grad endemisch geworden ist: die Furcht, in allzu nahe Berührung mit den Objekten zu kommen, ein Resultat der Hyperästhesie, der jede unmittelbare und energische Berührung ein Schmerz ist.

Daher äussert sich auch die Feinsinnigkeit, Geistigkeit, differenzierte Empfindlichkeit so überwiegend vieler moderner Menschen im negativen Geschmack, das heisst, in der leichten Verletzbarkeit durch Nicht-Zusagendes, in dem bestimmten Ausschliessen des Unsympathischen, in der Repulsion durch Vieles, ja oft durch das Meiste des gebotenen Kreises von Reizen, während der positive Geschmack, das energische Ja-Sagen, das freudige und rückhaltlose Ergreifen des Gefallenden, kurz die aktiv aneignenden Energien grosse Fehlbeträge aufweisen.

Der Naturalismus in seinen groben Formen war ein verzweifelter Versuch, über die Distanz hinwegzukommen, die Nähe und Unmittelbarkeit der Dinge zu ergreifen; kaum aber war man ihnen ganz nahe, so konnten die empfindlichen Nerven schon ihre Berührung nicht mehr vertragen und scheuten zurück, als hätten sie glühende Kohlen angefasst.

Das gilt nicht nur von der Reaktion in der Malerei, die durch die schottische Schule vermittelt wurde, und in der Literatur, die vom Zolaismus zum Symbolismus führte; es gilt auch von wissenschaftlichen Tendenzen: so, wenn der Materialismus, der die Wirklichkeit unmittelbar zu greifen glaubt, vor »neu-kantischen« oder subjektivistischen Weltanschauungen zurückweicht, die die Dinge erst durch das Medium der Seele brechen oder destillieren lassen, ehe sie zu Erkenntnissen werden; so, wenn sich über der spezialistischen Detailarbeit in allen Wissenschaften der Ruf nach Zusammenfassung und Verallgemeinerung erhebt, die sich in überschauende Distanz von aller konkreten Einzelheit stelle; so, wenn in der Ethik die platte »Nützlichkeit« vor höher aufblickenden, oft religiösen, von der sinnlichen Unmittelbarkeit weit abstehenden Prinzipien zurücktreten muss.

An mehr als einem Punkte unserer Kultur macht sich diese Tendenz auf Distanzierung beherrschend fühlbar; dabei ist es selbstverständlich, dass ich damit ein bestimmt empfundenes, also qualitatives, inneres Verhältnis zu den Dingen meine, das ich nur, weil es keinen direkten Ausdruck dafür gibt, auf das quantitative der Distanzierung zurückführe, das nur als Symbol und Annäherung gelten kann.

Die Auflösung der Familie hängt damit zusammen, die Abneigung gegen »Familiensimpelei«, das Gefühl unerträglicher Enge, das das Gebundensein an den nächsten Kreis so oft im modernen Menschen weckt und ihn so oft in tragische Konflikte verwickelt.

Die Leichtigkeit des Verkehrs in die grösseren Fernen hin verstärkt diese »Berührungsangst«.

Der »historische Geist«, die Fülle der inneren Beziehungen zu räumlich und zeitlich ferneren Interessen, macht uns immer empfindlicher gegen die Schocks und die Wirrnisse, die uns aus der unmittelbaren Nähe und Berührung der Menschen und der Dinge kommen.

Als eine Hauptursache jener Berührungsangst aber erscheint mir das immer tiefere Eindringen der Geldwirtschaft, das die naturalwirtschaftlichen Verhältnisse früherer Zeiten mehr und mehr zerstört, - wenn auch dieses Zerstörungswerk noch nicht völlig gelungen ist.

Das Geld schiebt sich zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mensch und Ware, als eine vermittelnde Instanz, als ein Generalnenner, auf den erst jeder Wert gebracht werden muss, um sich weiterhin in andere Werte umsetzen zu können.

Seit der Geldwirtschaft stehen uns die Gegenstände des wirtschaftlichen Verkehres nicht mehr unmittelbar gegenüber, unser Interesse an ihnen bricht sich erst in dem Medium des Geldes, nicht ihre eigene sachliche Bedeutung, sondern wie viel sie, an diesem Zwischenwert gemessen, wert sind, steht dem wirtschaftenden Menschen vor Augen; unzählige Male macht sein Zweckbewusstsein auf dieser Zwischenstufe Halt, als auf dem Interessenzentrum und dem ruhenden Pole, während alle konkreten Dinge in rastloser Flucht vorübertreiben, belastet mit dem Widerspruch, dass doch eigentlich sie allein definitive Befriedigungen gewähren können und dennoch erst nach ihrer Abschätzung an diesem charakterlosen, qualitätslosen Massstab ihren Grad von Wert und Interesse erlangen.

So stellt uns das Geld mit der Vergrösserung seiner Rolle in eine immer gründlichere Distanz von den Objekten, die Unmittelbarkeit der Eindrücke, der Wertgefühle, der Interessiertheit wird abgeschwächt, unsere Berührung mit ihnen wird durchbrochen und wir empfinden sie gleichsam nur durch eine Vermittelung hindurch, die ihr volles, eigenes, unmittelbares Sein nicht mehr ganz zu Worte kommen lässt.

So scheinen sehr mannigfaltige Erscheinungen der modernen Kultur einen tiefen psychologischen Zug gemeinsam zu haben, den man in abstrakter Weise als die Tendenz zur Distanzvergrösserung zwischen den Menschen und seinen Objekten bezeichnen kann und der auf ästhetischem Gebiet nur seine deutlichsten Formen gewinnt.

Und wenn damit wieder Phänomene und Epochen wie die naturalistischen und die sensualistischen abwechseln, in denen gerade ein festes Sich-Anpassen an die Dinge, ein Einschlürfen ihrer ungebrochenen Realität, herrschend wird, so darf das nicht irre machen; denn gerade die Schwingungen zwischen beiden Extremen beweisen die gleiche Neurasthenie, der schon jedes für sich allein entstammte.

Eine Zeit, die zugleich für Böcklin und den Impressionismus, für Naturalismus und Symbolistik, für Sozialismus und Nietzsche schwärmt, findet ihre höchsten Lebensreize offenbar in der Form der Schwankung zwischen den extremen Polen alles Menschlichen; ermatteten, zwischen Hypersensibilität und Unempfindlichkeit schwankenden Nerven können nur noch die abgeklärteste Form und die derbste Nähe, die allerzartesten und die allergröbsten Reize neue Anregungen bringen.


In: Die Zukunft. Herausgegeben von Maximilian Harden, 17. Bd. 1896, Nr. 5. vom 31. 10. S. 204-216.